In Zusammenarbeit mit dem Bündnis für Toleranz und Zivilcourage findet am heutigen Donnerstag, 11. Mai, eine Gedenkveranstaltung zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung in der Stadtbibliothek Mettmann statt.
Im Jahr 1933 waren durch das NS-Regime zahllose Bücher von Autoren verbrannt worden, die einen aus Sicht der Nationalsozialisten „antideutschen Geist“ vertreten haben. Den traurigen Höhepunkt fanden die Aktionen am 10. Mai, als in Berlin und weiteren Hochschulstädten im Beisein von zehntausenden Zuschauern Bücher bei zentralen Kundgebungen verbrannt wurden.
Bürgermeisterin Sandra Pietschmann hat anlässlich des 90. Jahrestages folgendes Geleitwort für die heutige Gedenkveranstaltung herausgegeben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Mitglieder des Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage,
vor 90 Jahren befand sich Deutschland am Beginn eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 herrschte eine Regierung über unser Land, die demokratische, freiheitliche und menschliche Werte mit Füßen trat und ein Volk buchstäblich in den Abgrund führte.
Mit der Bücherverbrennung setzte die nationalsozialistische Regierung zu Beginn ihrer Schreckensherrschaft ein deutliches Zeichen gegen Andersdenkende und gegen alle, die aus ihrer Sicht dem „undeutschen Geist“ verfallen waren. Bereits im März 1933 führten Mitglieder der NSDAP, der Hitlerjugend, der SA und der Deutschen Studentenschaft, Bücherverbrennungen an verschiedenen Orten in Deutschland durch. Der traurige Höhepunkt wurde am 10. Mai 1933 erreicht, als auf dem Berliner Opernplatz über 25.000 Bücher bei einer zentralen Kundgebung verbrannt wurden. Auch in 18 weiteren deutschen Großstädten fanden an diesem Abend ähnliche Bücherverbrennungen statt.
Neben der Tatsache, dass die NS-Führung mit dieser Aktion unliebsames Gedankengut auslöschen wollte, macht vor allem ein weiterer Punkt fassungslos: Rund 70.000 Menschen waren an besagtem Abend in Berlin dabei, schauten zu und ließen sich von der Propaganda des erstarkenden Regimes vereinnahmen. Mich schockiert daran vor allem, wie schnell es dem NS-Staat gelungen ist, seine Hetze und antidemokratische Haltung salonfähig zu machen und wie schnell sich die Menschen damals davon haben beeindrucken lassen.
Man könnte nun resümieren, dass die Bücherverbrennung von 1933 ein lange zurückliegendes und einmaliges, schreckliches Ereignis ist, an welches wir uns heute zwar erinnern, aber von dem wir ja genau wissen, dass es in unserer heutigen, demokratischen Gesellschaft nicht mehr vorkommen wird. Doch das wäre ein fataler Trugschluss. Erst vor einigen Tagen berichteten die Medien von einem rassistischen Angriff auf eine Schulklasse in Brandenburg. Dieses Ereignis ist bei weitem kein Einzelfall. Beleidigungen, Pöbeleien und tätliche Angriffe auf Menschen anderer Herkunft, Religion oder politischer Überzeugung gehören heute inzwischen fast schon zum täglichen Nachrichtenalltag in unserem Land.
Die Erinnerung wachzuhalten – eine Erinnerung an die grausamen und schrecklichen Verbrechen der NS-Zeit – ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Sei es als Lehrer, Politiker, Ehrenamtler oder einfach als Mensch:
wir dürfen nicht vergessen, wie schnell und wie einfach es damals möglich war, ein ganzes Volk zu instrumentalisieren und ein ganzes Land in eine nationalsozialistische Diktatur umzubauen.
Wir dürfen nicht wegschauen, wenn uns in unserem Alltag Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Ausgrenzung begegnen.
Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass so etwas wie die Bücherverbrennung im Dritten Reich heute nicht mehr möglich ist.
Ich möchte an dieser Stelle in besonderer Weise das Engagement des Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage hervorheben. Mit Ihrem Einsatz stellen Sie sich Hass und Hetze entgegen, sorgen für mehr Dialog und halten die Erinnerung wach. Ihr Engagement macht unsere Gesellschaft, macht unsere Stadt, zu einem besseren Ort. Ich möchte Ihnen, sehr geehrte Mitglieder und Unterstützer des Bündnisses, sehr herzlich dafür danken!
Es ist ein großes Privileg, dass wir heute hier in einer Bibliothek sitzen dürfen, in der auch Titel stehen, die 1933 verbrannt wurden. Da sind Autoren wie Bertolt Brecht, Heinrich Heine, Franz Kafka oder Joachim Ringelnatz, deren Werke unsere literarische und kulturelle Welt bis heute prägen. Nicht auszudenken, wenn es damals tatsächlich gelungen wäre, dieses wertvolle Erbe durch die Bücherverbrennungen auszulöschen.
In einem freien und demokratischen Land zu leben bedeutet auch, sich tagtäglich für den Erhalt dieser Werte einzusetzen. Lassen Sie uns daher nicht tatenlos zusehen, wenn wir in unserem Umfeld Hass, Hetze, Beleidigungen oder Rassismus erleben. „Wir sind mehr“ – dieses Motto stand über den Aktionen gegen die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz 2018. Und dieses Motto sollte uns täglich daran erinnern, dass diejenigen, die in unserem Land gegen die freiheitlich-demokratischen Werte sind, in der Minderzahl sind – auch wenn sie manchmal lauter schreien als andere.
Ich möchte daher an uns alle appellieren: verlieren wir nicht den Mut, uns weiter für Toleranz und Zivilcourage einzusetzen. Verlieren wir nicht den Mut, für unsere Werte einzustehen. Und verlieren wir niemals die Erinnerung daran, was heute vor 90 Jahren in unserem Land passieren konnte.
Herzlichen Dank!